Ich muss sagen, dass ich es schon auch traurig finde, wie es jetzt so mit ihm zu Ende gegangen ist.
Ich bin noch nicht so lange dabei wie manch anderer hier, aber ich habe die gesamte Zeit von Mike bei der Viktoria erlebt. Was er seit 2011 für die Viktoria sportlich geleistet hat, ist für mich unfassbar. Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der über so viele Jahre so viel besser als all seine Mit- und Gegenspieler war und dennoch keinen Schritt nach oben gemacht hat. Meiner Meinung nach hatte er über viele Jahre klares Bundesliganiveau. Auch wenn natürlich zur Wahrheit natürlich gehört, dass er auch hier bei uns ein Zweitliga-Salär bezog und zudem seine kleine Wohlfühloase mit viel Einfluss genoß. Dennoch gab es genügend Möglichkeiten, etwas neues auszuprobieren, ohne dass er große finanzielle Abstriche hätte machen müssen. Am Ende hat er sich aber immer dagegen entschieden und 2019 dann das Ziel 3. Liga endlich mit dem Verein erreicht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, auch wenn er natürlich nicht alleine dafür verantwortlich war.
Während er als Fußballer über jeden Zweifel erhaben ist, war er als Typ noch nie ganz einfach. Er hat stets am Anschlag gespielt und war von Ehrgeiz zerfressen. Das hat sich leider auch oft auf den Umgang mit Mitspielern ausgewirkt. Anstatt als Kapitän zu supporten, hat er gerne seinen Frust an seinen Mitspielern auf dem Platz rausgelassen. Gegenspieler wussten diesen Frust natürlich auch das ein oder andere mal auch gut auszunutzen und haben ihn provoziert. Nach verlorenen Spielen war er kaum ansprechbar. Man merkte ihm an, welch einen Druck und welch eine Last er über einen ganzes Jahrzehnt auf seinen Schultern trug. Wirklich befreit wirkte er dadurch nie. Ich kann mir vorstellen, dass dies auch Einfluss auf sein Verhältnis zu den Fans hatte.
Er war bei uns nie dieser normale Spieler, der er dann bei Kaiserslautern sein konnte. Natürlich war er auch dort ein Führungsspieler, der Verantwortung übernommen hat, aber er konnte einfach mal nur Fußball spielen, ohne sich vielleicht selbst diesen Druck aufzuerlegen, dass er allein verantwortlich für den Erfolg eines Vereins sei. Ich nehme ihm deswegen entgegen der allgemeinen Meinung hier sein Verhalten im Hinspiel gegen uns nicht übel. Klar, Jubelsprünge habe ich auch nicht gemacht, aber ich habe es diesem Jungen auch einfach mal gegönnt, nochmal richtig Spaß am kicken zu haben. Ich habe mich auch gefreut, dass er trotz der Niederlage mit Lautern am vorletzten Spieltag noch den Aufstieg feiern und anschließend sogar das erste Tor der Zweitligasaison 22/23 erzielen konnte.
Die Rückholaktion war eigentlich ein Flop mit Ansage. Anstatt seine Karriere entspannt ausklingen zu lassen, musste er sich nach den ersten beiden Niederlagen gegen Osnabrück und Saarbrücken schon wieder bei Magenta rechtfertigen, ob es an ihm liegen würde, dass man so schlecht ins Jahr gestartet ist. Er wurde also eigentlich direkt wieder in eine Rolle gesteckt, die er dann mit 37 einfach nicht mehr so erfüllen konnte, wie er und wir es uns gewünscht hätten.
Mir war es dennoch eine Freude, Mike Wunderlich über so eine lange Zeit beim Fußballspielen zuzusehen. Von keinem anderen Spieler habe ich so viele Tore und Asissts live im Stadion verfolgt. Er hat meine Zeit als Fan der Viktoria definitiv geprägt und dafür bin ich ihm dankbar. Deswegen wäre ich am Freitag auch sehr gerne zu seinem Abschied gekommen, musste aber leider aus beruflichen Gründen passen.
Auch wenn die letzten zwei Jahre vielleicht nicht perfekt verliefen, bleibt er für mich der „geilste Achter der Welt“!